Betr.: Zensur im Internet


Liebe InternetlerInnen und -Außen,

seit geraumer Zeit wird nun schon von Zensur im Internet gesprochen. Zensur in einem weltumspannenden Netz, das wie kein anderes Medium Menschen aller Nationen verbindet und das allen Menschen gleichermaßen Meinungsfreiheit garantieren sollte. Dennoch kommt es in letzter Zeit gehäuft vor, daß selbsternannte Sheriffs das Netz durchforsten auf der Suche nach Seiten, die ihnen nicht gefallen, um diese dann beim jeweiligen Platz-Provider anzuprangern. Wirklich ein nettes Hobby...

Nach meiner Erfahrung ist es so gut wie ausgeschlossen, daß man unbeabsichtigt auf eine Seite stößt. Wäre dies anders, müßte man die Existenzberechtigung der in großer Zahl vorhandenen Suchmaschinen in Zweifel ziehen. Nein, wer auf eine Seite stößt, der hat im allgemeinen auch danach gesucht. Und wer findet, wonach er sucht, wird sich wohl kaum über das Gefundene beschweren können. Seiten, nach denen keiner sucht, werden auch nicht besucht. Das Netz zensiert sich somit selbst.

Zudem ist das Internet international und multikulturell - wer also wollte die Normen festlegen, wo doch jeder Kulturkreis auf dieser Welt andere Normen und eine andere Weltanschauung hat? Wer sich ins Internet begibt, tut dies in Eigenverantwortung und geht das Risiko ein, mit Themen konfrontiert zu werden, die er mit seinen Ansichten nicht vereinbaren kann. Wenn überhaupt, so ist eine Zensur nur hinsichtlich der Themen möglich, die von den Bürgern aller angeschlossenen Länder geächtet sind und somit gegen allgemeingültige Auffassungen von Ethik und Moral verstoßen, so daß man hierfür ein allgemeines Einverständnis voraussetzen kann. Und Zensur ist akzeptabel, wenn es gilt, Schaden von Menschen abzuwenden. Da allerdings hat Zensur bisher weniger ausrichten können, als die direkte Abwendung des Schadens es vermocht hätte.

Ein anderer Punkt ist das ab dem Jahr 1998 gültige Telekommunikationsgesetz. Es bedeutet einen schweren Eingriff in die Privatsphäre und in gewisser Weise eine Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Nur weil ein paar wenige Menschen die Möglicheiten, die die moderne Kommunikationsmedien bieten, mißbrauchen könnten (und dies, wenn sie wollen, auch weiterhin tun und Kontrollen umgehen werden; letztlich wird nur der Normalbürger bestraft für etwas, das andere tun könnten), müssen alle anderen Benutzer dieser Kommunikationsmedien - also mit Sicherheit weit über 99% - Einschränkungen erdulden. Wo ist hier die Demokratie? Wo die Gerechtigkeit?

Das Briefgeheimnis verliert auch dann nicht seine Gültigkeit, wenn die Briefe Elektronen in Drähten statt Tinte auf Papier sind.

Das Internet ist ein Vierteljahrhundert lang gut ohne staatliche Einflußnahme ausgekommen. Dann geschah Mitte der Neunziger das, was 500 Jahre zuvor bereits mit Amerika geschehen war: Es wurde "entdeckt" und überrannt von Leuten, die ihm seine ureigene Wesensart nahmen und nach Profit lechzten.
Da wünscht man sich die Zeit zurück, als das Internet noch unbefleckt von Kommerzialisierung und staatlicher Kontrollneurose war.

Erinnern wir uns: Politiker sind per definitionem Interessenvertreter des Volkes. Nicht umgekehrt! (Andere Definition: Politiker sind Menschen, die lieber eine Rede halten als ein Versprechen).
Und: Demonstration von Macht ist Demonstration von Schwäche und Unsicherheit.
Es scheint, daß sich die Mächtigen bevorzugt dann zu Wort melden, wenn es darum geht, Gelder einzutreiben oder nur des Prinzips Macht wegen Macht auszuüben.
Es ist geradezu anmaßend, wenn jemand nur aufgrund seines Amtes, das er im Laufe seines Lebens aufgrund mehr oder weniger glücklicher Umstände erlangt hat, glaubt, nun bestimmen zu können, was für den Rest der Menschheit das Beste sei, und die Vormundschaft über seine Mitmenschen übernehmen zu können (nebenbei bemerkt besitzt kaum einer unserer Minister eine fundierte Ausbildung auf dem Gebiet, für welches er zuständig ist - in anderen Berufen, in denen man für das Wohl von weniger Menschen verantwortlich ist, ein Unding).
Offenbar ist es für Menschen mit Macht unvorstellbar, daß es Dinge gibt, die auch ohne ihre Einmischung funktionieren.

Es ist an der Zeit, sich gegen die geplanten Einschränkung unserer persönlichen Freiheiten zur Wehr zu setzen, solange die Zeit dazu noch gegeben ist.

Herzlichst,
Euer Manni Mailwurm






Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Artikel 5 (Meinungsfreiheit)
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Artikel 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis)
(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.


Konvention zum Schutz der Menschenrechte

Artikel 8
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Artikel 10
(1) Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.
(2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten, unentbehrlich sind.