Zahnmedizin Moderne Füllmaterialien - eine Übersicht Was kommt nach Amalgam? Amalgam wird von wachsenden Teilen der Bevölkerung und der Zahnärzteschaft abgelehnt. Ein Ersatzmaterial, welches sich mit gleich gutem Kosten - Nutzen - Verhältnis verarbeiten läßt, gibt es noch nicht. Ob das Kosten - Nutzen - Verhältnis wirklich so gut ist, muß aber bezweifelt werden, da schwierig kalkulierbare Kosten eventueller Folgeerkrankungen, Umweltbelastungen und der Amalgamentsorgung von den Amalgambefürwortern nicht berücksichtigt werden. Materialien die sich ähnlich einfach verarbeiten lassen (Glasionomer-Zemente) sind als Langzeitprovisorien einzustufen, falls sie im kaudruckbelasteten Seitenzahnbereich verwendet werden. In Regionen ohne Kaudruckbelastung sind sie eine preiswerte und dauerhafte Füllungsvariante. Solche Zemente will die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) ihren Mitgliedern empfehlen, falls das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BIAM, Nachfolger des Bundesgesundheitsamtes) die geplanten weiteren Indikationseinschränkungen für Amalgam wahr macht. Sie bedeuten praktisch das Aus für Amalgam. Restaurationen, die etwa dem Amalgam entsprechen oder es übertreffen, wie Composite-Füllungen oder Inlays sind erheblich aufwendiger (siehe Tabelle). Amalgam: Da Amalgamfüllungen im Munde korrodieren und schwarz werden, müssen sie regelmäßig aufpoliert werden. Dies ist aber in Zahnzwischenräumen kaum möglich. Je unpolierter und älter, desto mehr Quecksilber geben Amalgamfüllungen ab. Man sollte Amalgamfüllungen nur dann belassen, wenn ihre Oberflächen überall polierbar sind. Die Ränder älterer Füllungen sollten idealerweise mit Kunststoff versiegelt werden. Quecksilberbelastungen entstehen beim Ausbohren der Füllung, weshalb Sie auf Spanngummiisolierung im Munde bestehen sollten. Composite: Nur beim strikten Einhalten komplizierter Verarbeitungsregeln und absoluter Trockenheit im Munde durch Spanngummiisolierung ist ein gutes Ergebnis erzielbar. Haftvermittler verkleben Zahn und Füllsubstanz miteinander. Dadurch wird die strukturelle Stabilität des Zahnes erhöht, im Gegensatz zu nicht geklebten Restaurationen (alte Amalgam und Goldtechnik). Große Composite- Füllungen haben eine geringere Lebensdauer, da sie sich oftmals am Rande aufbiegen. Dann sind Nacharbeiten, Versiegeln oder eine Teilkrone erforderlich. Früher konnten Composites aufgrund ihrer geringeren Verschleißfestigkeit nicht im Seitenzahnbereich verwendet werden. Composite mit vorgefertigten keramischen Festkörpern: Seit einigen Jahren kann man Composite-Füllungen durch einlegen von aus einem Sortiment ausgewählten Keramikkörpern verstärken. Es wird so weniger (bei der Abhärtung schrumpfender) Kunststoff gebraucht, die strukturelle Stabilität ist weiter erhöht und je nach Position der keramischen Verstärkungsteile auch die Oberflächenhärte an den entscheidenden Stellen. Diese komplizierte und zeitaufwendige Technik nimmt eine Zwischenstellung zwischen Inlay und Composite ein. Glasionomer-Zemente: Einfach zu verarbeitende, an der Zahnsubstanz klebende Werkstoffe, welche nur für unbelastete Zahnregionen brauchbar sind. Sie werden auch als Unterfüllung unter anderen Füllmaterialien verwendet. Compomer: Vor wenigen Jahren wurden Glasionomerzemente mit Kunststoffen verstärkt und es entstanden die Compomer. In der Verarbeitung anspruchsloser als Composite sind sie jedoch nicht so belastbar. Sie dürfen nur in unbelasteten Zahnregionen oder Milchzähnen verwendet werden. Gehämmerte Goldfolie: Diese bis heute unübertroffene klassische Füllungsmethode ist nur bei kleinen Defekten an Zähnen, welche nicht weit hinten im Munde stehen, anwendbar. Der exzellente Randschluß führt zu einer extrem langen Lebensdauer. Goldfolie wird auch zur Reparatur defekter Kronen- und Inlayränder verwendet. Goldinlay: Da das Goldinlay eine perfekte Randanpassung hat und nicht korrodiert und bricht, hat es sich als die bisher beste Fülltechnik neben gehämmerter Goldfolie etabliert. Auf einem Gipsmodell des Zahnes wird von einem Zahntechniker ein individuell gegossenes Goldstück per Mikroskop angepaßt, eine Hochpräzisionsarbeit, die der Zahnarzt per Lupenbrille im Mund vollendet. Keramikinlay: Hier wird der Defekt des Zahnes auf dem Gipsmodell nicht mit Gold, sonder mit einem individuell gebrannten Stück Keramik geschlossen. Ebenfalls eine Hochpräzisionsarbeit mit zahnfarbenen, ästhetischen Ergebnissen. Das Goldinlay ist hinsichtlich der Randdichtigkeit überlegen. Keramikinlays müssen mit komplizierten Klebesystemen unter Spanngummiisolierung im Munde befestigt werden, Goldinlay idealerweise auch. Letztere können aber auch mit ein einfachen Werkstoffen zementiert werden. Composite-Inlay: Hier füllt der Zahntechniker den Defekt im Gipsmodell mit Composite statt mit Keramik oder Gold. Composite kann so besser gehärtet werden, als dies dem Zahnarzt im Munde bei Composite- Füllungen möglich ist. Die Befestigung der Composite-Inlays geschieht ebenfalls mit komplizierten Klebetechniken, unter Spanngummiisolierung. Keramikinlay sind haltbarer und ästhetischer. Wohl ist das Composite-Inlay beständiger als die Composite-Füllung. Dies ist die preisgünstigste Inlay-Variante. Goldinlay mit zahnfarbenem Keramiküberzug: Für Patienten, die den gelben Glanz des Goldes nicht mögen, jedoch die Präzision einer Goldarbeit schätzen. Hierzu wird Keramik auf das Gold aufgebrannt, um es teilweise abzudecken. Das reine Goldinlay ist maßhaltiger, da der Keramikbrand das hochpräzise Gußstück etwas verschlechtert. Es sollte ein genügend großer Goldrand belassen werden, damit der Zahnarzt diesen präzise unter Lupenkontrolle an den Zahn anarbeiten kann. Eine Vielzahl anspruchsvoller Füllmaterialien, welche zum Teil miteinander kombinierbar sind, stehen dem Zahnarzt heute zur Verfügung. Sie verlangen Hochpräzisionsarbeit in noch nie dagewesenem Umfang und vom Patienten Zeit und Ausdauer. Nicht nur im Behandlungszimmer, sondern auch bei der häuslichen Pflege dieser grazilen Kunstwerke. Erklärung einiger Fachbegriffe: INLAY Festkörper aus Kunststoff, Gold oder Keramik, welcher in einen Zahndefekt geklebt wird. COMPOSITE: Fachbezeichnung für zahnärztliche Kunststoffe. GLASIONOMERZEMENT: Fachbezeichnung für harte, klebende Zemente der letzten Generation. SPANNGUMMIISOLIERUNG ODER KOFFERDAMM: Gummituch zum trockenlegen von Zähnen - ähnlich einem Operationstuch. Genau wie ein Damm das Wasser zurückhält, so hält der Spanngummi Feuchtigkeit (den Speichel) von den Zähnen fern. Tabelle S: Schlüssel (Bedeutung siehe unten) 1.Teil S Biover- Rand- Oberflächen- Farbe träglichkeit dichtigkeit abnutzung -------------------------------------------------------------- a) unbedenklich ausreichend gering silbergrau bis gut b) unbedenklich ausreichend gering bis zahnfarben bis gut mäßig c) unbedenklich ausreichend gering zahnfarben bis gut d) unbedenklich ausreichend für Kauflächen zahnfarben bis gut zu groß e) unbedenklich ausreichend für Kauflächen zahnfarben bis gut zu groß f) bestens exzellent gering golden g) bestens sehr gut gering golden h) bestens gut sehr gering zahnfarben i) unbedenklich gut gering zahnfarben j) bestens gut gering zahnfarben, stellenweise golden 2.Teil S Dauer- Ein- Zeitaufwand für Kosten haftigkeit schränkungen den Patienten --------------------------------------------------------------- a) viele Jahre viele, gem. 0,5 - 1 h niedrig BIAM b) viele Jahre nur unter 3/4 - 1,5 h deutlich Spanngummi- höher als isolierung Amalgam korrekt c) viele Jahre nur unter 1 - 1,5 h höher als Spanngummi- b) isolierung korrekt d) einige Jahre keine Kau- gering niedrig flächen e) einige Jahre keine Kau- mehr als d) niedrig flächen bis mäßig f) Jahrzehnte kleine unbe- 3/4 - 1,5 h hoch lastete De- fekte g) 10-20 Jahre genügend mehrere Stunden hoch Restzahn muß vorhanden sein h) ca. 10 Jahre wie b) u. g) mehrere Stunden hoch i) unter 10 J. wie b) u. g) mehrere Stunden hoch j) über 10 J. genügend mehrere Stunden hoch Restzahn muß vorhanden sein Schlüssel S: a) Amalgam b) Composite c) Composite mit vorgefertigten keramischen Festkörpern. d) Glasionomer-Zemente e) Mischung aus b) und d), sog. Compomer f) gehämmerte Goldfolie g) Goldinlay h) Keramikinlay i) Compositeinlay j) Goldinlay mit Keramiküberzug Autor: Bernd Balser, Zahnarzt, Examen 1982 in Münster, langer Auslandsaufenthalt. Seit 1986 in Aachen niedergelassen. Seit 1992 Privatpraxis. Intensive Fortbildungen in den USA. Mitglied in deutschen u. internationalen Fachgesellschaften. Quelle: Patient, Das aktuelle Nachrichtenmagazin für die Patienten der Europastadt Aachen; 1/95; S.8-9